Was läuft da falsch? Zur Berichterstattung über die Ukraine-Krise
Den Verdacht hatten viele Medienbeobachter, aber auch zahlreiche Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer längst geäußert: Die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in vielen großen Zeitungen zur Ukraine-Krise ist verzerrt. Blogs leben unter anderem von den Defiziten solcher Berichterstattung. In vielen Blogs wird immer wieder auf einseitige Berichterstattungen aufmerksam gemacht. So wirkte es wie eine Bestätigung der eigenen kritischen Arbeit, als der ARD-Programmbeirat nun die Berichte zur Ukraine-Krise im eigenen Haus scharf rügte.
Die Kritik des Programmbeirats war nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Auf Telepolis wurde dann jedoch das Resümee des Protokolls, das die kritischen Positionen des Programmbeirats zusammenfasst, zugänglich gemacht. Kritikpunkte sind dort unter anderem die Undifferenziertheit und eine erkennbare Tendenz, die Ziele der NATO und EU nicht zu hinterfragen. Auf Telepolis ist mittlerweile die Replik von Thomas Baumann, Chefredakteur der ARD, zu lesen. Er weist eine tendenziöse und einseitige Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt energisch zurück.
Markus Klein schreibt dagegen, von „Berichterstattung“ könne im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise gar nicht mehr gesprochen werden. Es sei längst auf beiden Seiten ausschließlich Meinungsmache zu vernehmen. Er zitiert Willy Wimmer, der in der Regierung Kohl Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung war, der sagte, die westlichen Medien seien von der NATO unterwandert.
Wie ist das zu verstehen? Ist das nicht bloß aufmerksamkeitsheischende Verschwörungstheorie? Klein führt die problematische Berichterstattung darauf zurück, dass der Ukraine-Konflikt eigentlich ein Stellvertreterkrieg sei. Es gehe – zugespitzt – um Interessen der NATO und um Interessen Russlands – und der Krieg um diese Interessen finde in der Ukraine statt. Zahlreiche wichtige Medien hätten sich für diese Interessen in Dienst nehmen lassen. Klein leitet daraus ab, dass der Mediennutzer aktiv werden muss, wenn er ein umfassendes Bild erhalten will. Er muss vom Medienkonsumenten zu einem Informationssuchenden werden.
Der Mann der Stunde ist nun Mathias Bröckers, dessen Buch „Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren“, das er gemeinsam mit Paul Schreyer verfasst hat, gerade die Bestsellerlisten erobert. Bröckers weist selbst auf seinem Blog auf die Ähnlichkeit seiner eigenen Kritik zu der Kritik des ARD-Programmbeirats hin. Er sagt, wenn sowohl er und Paul Schreyer als auch der Programmbeirat unabhängig voneinander zu den gleichen Schlüssen kämen, zeige das an, dass seine Beobachtungen wohl richtig wären: Die großen Medien berichten tendenziös über die Ukraine-Krise. Und er wiederholt seine Kritik vor allem an den öffentlich-rechtlichen Sendern. Denn im Unterschied zu privaten Medien, wie zum Beispiel den Zeitungen der Axel-Springer-Gruppe, sind die öffentlich-rechtlichen Sender zu einer unparteiischen Berichterstattung verpflichtet. Genau dies ist ja ihre Aufgabe und auch deshalb sollen die Gebühren berechtigt sein. Bei privaten Zeitungen könne das teilweise anders aussehen, so sei in den Arbeitsverträgen des Axel-Springer-Konzerns eine Verpflichtung auf die NATO festgeschrieben. Eine entsprechende Berichterstattung ist also zu erwarten.
Auch Hans-Dietrich Genscher hat sich mittlerweile zu Wort gemeldet, und die Sanktionen der EU kritisiert, die eine Eskalation herbeiführen könnten, wie auf dem Blog Politikparadox zu lesen ist. Er kritisierte vor allem die Aufrüstung der Worte. Das betrifft dann die Medien, die in vielen Fällen eben keine Zwischentöne zugelassen, sondern sich allzu einseitig verhalten haben. Diese Einseitigkeit stellen zahlreiche Blogs immer wieder heraus.
Schon vor Monaten hat Georg Restle, der MONITOR-Redaktionsleiter, in seinem Blog festgehalten: Nichts gebe im Netz mehr Applaus als die Behauptung, die Medien seien gleichgeschaltet. Die Gleichschaltung der Medien sei allerdings ein viel zu allgemeines Vorurteil. Differenzierung sei stattdessen geboten. Das gelte für die großen Medienhäuser und ihre Berichte, aber eben auch für die Kritiker der Medien, die es sich ebenfalls zu einfach machten und jede Differenzierung vermissen lassen.
Aber auch Restle schrieb schon im Mai, dass es Meinungsführer gebe, die „auf dem Ticket der Bertelsmänner, transatlantischer Vereinigungen oder der politischen Stiftungen unterwegs sind“. Diese Kritik wird nun von vielen Seiten bestätigt.
Die Lage in der Ukraine ist überaus komplex, worauf Jochen Walter hier in der Blogumschau ja stets hingewiesen hat. Blogger können vor Ort in der Regel gar nicht recherchieren. Aber sie können andere Quellen heranziehen, um ihre Ansichten zu prüfen. Sicher ist, dass die Bloggerinnen und Blogger die Berichterstattung, ganz besonders der ARD, genau beobachten werden.