Die Aufregung um die Panoramafreiheit

Seit die Autoren von Wikipedia sich dem Thema angenommen haben, wird sie in vielen Medien diskutiert: die Panoramafreiheit. Auf der deutschsprachigen Wikipedia ist derzeit ein Bild der Elbphilharmonie zu sehen, auf dem der obere Teil, der gerade gebaut wird, vollständig geschwärzt ist. Das soll auf das Problem aufmerksam machen, dass innerhalb der EU das Urheberrecht geändert werden soll.

Architekten besitzen ein Urheberrecht an den von ihnen gebauten Häusern. Das bedeutet, eine kommerzielle Weiterverwendung von Abbildungen ihrer Gebäude ist nicht selbstverständlich. In Deutschland gilt allerdings bisher die Panoramafreiheit, das heißt Außenaufnahmen sind in jeder Form zulässig, auch für eine kommerzielle Nutzung. Fotos von der neuen Elbphilharmonie dürfen ohne Rücksicht auf den Urheber verwertet werden. Diese kommerzielle Nutzung, so sieht es der Vorschlag vor, könnte in Zukunft verboten werden bzw. es müsste dann jeweils vorher die Erlaubnis des Urhebers eingeholt werden.

Für den Urlaubsfotografen wird daraus ein Problem, wenn er beispielsweise ein Foto bei Facebook oder Twitter teilt. Denn Facebook erzielt mit den Inhalten der Nutzer Gewinn, es besteht hier also ein kommerzielles Interesse. Eine Abmahnung wäre also denkbar, sobald man in den sozialen Netzwerken Fotos zeitgenössischer Gebäude verbreitet. Julia Reda, EU-Abgeordnete der Piratenpartei, die eine Panoramafreiheit für ganz Europa ins Spiel brachte, hat das ausführlich in ihrem Blog dargestellt.

Nicht nur die Autoren von Wikipedia sehen mit der im Raum stehenden Abschaffung der Panoramafreiheit ein gewaltiges Problem auf sich zu kommen, auch auf dem Blog von Freelens, einer Fotografenvereinigung, wird die Einschränkung der Panoramafreiheit scharf kritisiert. Jeweils alle Bildrechte einzuholen, dürfte sich in der Praxis als vollkommen unmöglich erweisen und in der Folge wäre die professionelle Fotografie im öffentlichen Raum gefährdet.

Dem widerspricht der Autor auf dem Blog theolounge. Für professionelle Fotografen könnte es immerhin möglich sein, die Veröffentlichungsrechte an einem Bild einzuholen, was für den privaten Fotografen schlicht ein zu großer Aufwand ist. Damit würde sich die Zahl der verfügbaren Bilder drastisch reduzieren. Für die professionellen Fotografen könnte ein solches Urteil also möglicherweise in letzter Konsequenz erfreuliche Folgen haben, ganz im Gegensatz zu demjenigen, der privat seine Fotos in den sozialen Netzwerken teilen möchte. Und selbstverständlich würden die Anwälte profitieren, die sich um Abmahnungen und Bildrechte kümmern. Der Bürger wäre der Verlierer. Er hätte nicht einmal mehr die Möglichkeit die Gebäude zu fotografieren und kommentieren, die in einem öffentlichen Raum stehen, mit deren Anblick er aber ungewollt konfrontiert sein kann.

Marie Slowioczek schreibt für photoscala, die gesamte Aufregung sei verfrüht, denn bislang geht es allein um eine Diskussionsgrundlage. Bis daraus überhaupt ein Gesetz werden könnte, würde es noch lange dauern. Und eine Einigung ist auch so einfach gar nicht zu erwarten, denn die Panoramafreiheit ist in den EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich geregelt – oder überhaupt nicht vorhanden. In Deutschland würden Fotografen stark in ihren Rechten beschnitten, in anderen Ländern, die gar keine Panoramafreiheit kennen, dagegen die Urheber. Und selbst wenn also am 9. Juli der Text der Diskussionsgrundlage angenommen werden sollte, um daraus einen Gesetzestext zu machen, werden erst dann die Einzelheiten ausgearbeitet, die jetzt noch gar nicht erfasst sind. Die ganze Aufregung sei demnach zurzeit noch überzogen.

Eine Harmonisierung des Urheberrechts innerhalb der Europäischen Union ist sicherlich wünschenswert. Die Panoramafreiheit, so wie sie in Deutschland angewandt wird, ist für viele Bloggerinnen und Blogger aber ebenfalls ein großes Gut. Eher in Kommentaren zu einzelnen Artikeln finden sich Stimmen die einer Verschärfung des Gesetzes auch etwas abgewinnen können, denn damit würden Unternehmen wie Facebook in ihrer Kommerzialisierung der privaten Inhalte möglicherweise gebremst. Der weitere Verlauf der Debatte bleibt abzuwarten.

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