Netzneutralität und Datenschutz: Diskussionen auf der re:publica 2015
In Berlin fand vom 5. bis zum 7. Mai bereits zum neunten Mal die re:publica statt. Auf der Konferenz, die mehr als 7000 Teilnehmerinnen und Teilnehmersowie sowie etwa 700 Journalistinnen und Journalisten anzog, wurde über ganz unterschiedliche Themen des sogenannten Internet 2.0 referiert und diskutiert. Vorratsdatenspeicherung, Urheberrecht und der digitale Wandel der Gesellschaft waren nur einige Themen, des breit gesteckten Rahmens der re:publica.
Ein Thema, über das derzeit intensiv debattiert wird, ist die „Netzneutralität“. Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten, die von den Providern durch das Netz geschleust werden, gleich behandelt werden. Das schließt aus, dass die Internet-Anbieter bestimmte Daten eben schnell und andere langsam verarbeiten. Alexander Lehmann hat ein Video, das die Netzneutralität erläutert, auf der re:publica erstmals gezeigt. Dieses Video wurde mittlerweile von zahlreichen Blogs und in den Sozialen Netzwerken verbreitet. Der kurze Clip stellt die Idee der Netzneutralität vor, erläutert, warum sie so wichtig ist und vor allem plädiert er für eine gesetzliche Umsetzung. Zugleich zeigt das Video überspitzt, wie Propaganda gegen die Netzneutralität gemacht werde. Das Thema sei äußerst wichtig, denn wenn die Netzneutralität verlorengehe, sei das Internet insgesamt bedroht, betont Kai Thrun, der ebenfalls das Video von Lehmann auf seinem Blog verlinkt hat.
Enttäuscht zeigt sich Joachim Paul darüber, dass auf der re:publica der Eindruck erweckt werde, Netzneutralität, Breitband und Vorratsdatenspeicherung seien die großen Probleme der Internet-Zeit und sobald die gelöst seien, sei alles in Ordnung. Die Netzpolitik müsste nach seiner Ansicht viel tiefer ansetzen. Möglicherweise, so mutmaßt Paul, täuschen sich die Initiatoren der re:publica in ihren Hoffnungen in Bezug auf eine zeitgemäße Netzpolitik, weil sie sich in Berlin nicht annähernd vorstellen könnten, wie abseits der Hauptstadt über Internetangelegenheiten nachgedacht werde. Die digitale NRW-Agenda „MegaBits, MegaHerz, MegaStark“ sei nur ein Beispiel für eine beschämend inkompetente Netzpolitik in Deutschland.
Martin Sauter nimmt auf futurecom insgesamt einen ernüchterten Tenor auch auf der re:publica wahr. Die Hoffnungen, die die „Netzgemeinde“ in das Internet gesetzt hatte, wurden vielfach enttäuscht. Mittlerweile herrsche die Ansicht vor, dass das Internet eine mächtige Technologie sei, die zwar viele Wünsche erfüllen könnte, wie zum Beispiel die Möglichkeit an Wissen zu partizipieren, aber eben auch von den großen Unternehmen missbraucht werden könne.
Das Reden von der „Netzgemeinde“ bzw. den Begriff der „Community“ stellt Rainer Meyer auf seinem Blog grundsätzlich in Frage. Wenn mittlerweile 80 Prozent der Deutschen regelmäßig online seien, dann sei das Netz eben längst eine ebenso unübersichtliche Welt wie die Welt außerhalb des Netzes. Die re:publica sei da vielleicht von der Realität zu weit entfernt. Meyer kam es gelegentlich so vor, als befände er sich in einem Raumschiff weitab von Berlin und dem politischen Tagesgeschäft, das nur wenige Kilometer entfernt verhandelt werde. Die Forderungen an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der re:publica doch politisch aktiv zu werden, hätte dann auch eher für Verständnislosigkeit gesorgt.
Und das obwohl politische Themen ja angesprochen wurden. Die Datensicherheit, die seit der NSA-Affäre durchaus in regelmäßigen Abständen in allen Medien vorkommt, wurde selbstverständlich heftig diskutiert auf der re:publica, aber auch der damit zusammenhängende Mentalitätswandel in der Gesellschaft. Caspar Tobias Schlenk schreibt für die Gründerszene über den Vortrag von Harald Welzer, der mit der Anekdote beginnt, er habe soeben auf der Toilette drei junge Männer vor den Pissoirs getroffen, die alle auf ihre Smartphones starrten. Nicht allein die Geheimdienste dringen in die Privatsphäre ein, sondern das Private wird von den Internetnutzern freiwillig aufgegeben. Welzer, so ist auch auf dem Blog datenwerk zu lesen, ziehe daraus den Schluss, dass die Demokratie erodiere, denn die Demokratie setze einen privaten Raum voraus, in dem politische Positionen überhaupt entwickelt werden können.
Die Impulse der re:publica werden sicherlich mittelfristig das Denken über den digitalen Wandel beeinflussen. Die Öffentlichkeit des Internets wird jedenfalls zunehmend zu einem Faktor, den die Politik in keiner Weise ausklammern kann.