Ausgebliebener Skandal: Die Berlinale und Lars von Triers “Nymph()maniac”
Die Berlinale liegt fast zwei Wochen zurück, die letzten Nachberichte trudeln in den Blogs ein. Über den Gewinner des Goldenen Bären, den Film Bai Ri Yan Huo von Diao Yinan, schrieb kaum jemand, und wenn, dann wurde der Film eben als der Gewinner des Goldenen Bären vermerkt; Geschichte, Schauspieler, besondere ästhetische Qualität – darüber wusste niemand zu berichten. Die größte Aufmerksamkeit erregte Lars von Triers Nymph()maniac, der nun auch in den deutschen Kinos gestartet ist.
Natürlich, niemand ahnte, dass Diao Yinans Film den Hauptpreis des Festivals gewinnen würde, als sich die Fachbesucher, die Filmblogbetreiber und Kritiker an die Planung ihrer Festival-Tage machten. Auf dem Blog filmosophie bekommt man einen Einblick in den Plan und die Unplanbarkeit eines solchen Festivalbesuchs durch einen akkreditierten Fachbesucher. Fixpunkte werden gesetzt und danach plante dennis eine Reise um die Film-Welt. Die Berlinale zeigt Filme aus zahlreichen Ländern. Diao Yinans Film wurde in China produziert – spielt aber keine Rolle –, denn für einen Stopp hier hätte der Film im Vorfeld irgendwelche Aufmerksamkeit schon erregen müssen. Wie Nymph()maniac eben.
Eine Sternstunde des Filmmarketings ganz sicher. Auch eine Sternstunde des Kinos? Gekonnt wurde ein Skandal angedeutet, den der Film auslösen könnte. Die Filmplakate zeigen Männer- und Frauenporträts bei einem Orgasmus. Dazu gab es vorab die Information, dass Pornodarsteller die Hauptdarsteller in expliziten Szenen doubeln würden. Ein Directors Cut wurde bereits angekündigt – ein Hinweis auf eine mögliche Zensur oder zumindest auf ein potenziell verstörtes Publikum. Der Filmtitel tut sein übriges. Ein Porno wurde erwartet, künstlerisch aufgewertet vielleicht, aber die Erwartungshaltung war klar.
Erstaunlich sind nun die einhellig begeisterten Kritiken in den Blogs: Gar kein Porno, aber ein Meisterwerk, vielleicht der beste Film von Lars von Trier zeichne sich bereits im ersten Teil von Nymph()maniac ab.
Oliver Koch betont in seinem Blog Gedankenzirkus, wie in dem Film die Sexualität immer wieder mit Schuld in Verbindung gebracht wird. Die Protagonistin, Joe, die ihr Leben erzählt: sie beichtet! Joe, gespielt von Charlotte Gainsbourg, spricht von ihrer moralischen Schuld, von ihrem verfehlten Leben.
Doch auch die Ästhetik des Films erinnert gar nicht an einen pornographischen Film, wie cutrin auf filmosophie ausführt. Der Film sei zwar stringent erzählt, doch erscheine er gleichsam rau und unfertig. Eben kein Hochglanz, nicht glatt. Und die verschiedenen Kapitel, in die der Film gegliedert sei, sind jeweils ganz unterschiedlich gestaltet, teils in Schwarz-Weiß, teils im Splitscreen-Verfahren. Der Film zeigt also, dass er gemacht ist, er zeigt, dass er genau konzipiert wurde. Er macht darauf aufmerksam, statt davon abzulenken und nur auf die nackten Körper und den Sex zu zeigen.
Der erste Teil von Nymph()maniac ist bereits gestartet, der zweite Teil kommt im April in die Kinos. Die Berlinale liegt schon ein Stück zurück. Längst stellen sich alle auf die Oscars ein. Die Blogumschau, die hiermit nun beginnt, hat ihr eigenes Tempo. Sie kommt, wenn die Blogger ihre Arbeit schon gemacht haben. Wir ordnen, wenn eine Ordnung sichtbar wird, wir berichten, wenn sich langsam abzeichnet, was nur eine kleine Notiz war und was eine Nachricht ist, die zumindest eine kurze Zeit überdauern kann.