Der Fall “Uli Hoeneß”
Das Medienecho ist enorm. Der Fall Uli Hoeneß beschert Auflagen, Zuschauer und Klicks. Kein Wunder also, dass immer weiter berichtet wird. Heute gab die Staatsanwaltschaft die Entscheidung bekannt, dass sie nicht in Revision gegen das vom Landgericht München verhängte Urteil gehen wird. Auch das musste – so oder so – wieder eine Topmeldung werden. Revision hatten zunächst ja die Anwälte von Hoeneß angekündigt, und schließlich akzeptierte er das Urteil doch. Aber das ist bekannt. Die Eckdaten des Falls, die 28,5 Millionen und die dreieinhalb Jahre, kennt nun jeder.
Spannender ist die Frage, was aus Hoeneß in den Medien gemacht wird. Wird er zum aufrechten Helden stilisiert, zum Mann, der seine Strafe tapfer trägt und sich nicht wegduckt? Oder werden an ihm Fragen der Selbstanzeige und die Fragen des Strafmaßes diskutiert? Wird er dadurch zum Exempel, zum geflügelten Wort? Oder steht Uli Hoeneß bald für die Maßlosigkeit, für den Egoismus, für moralische Verblendung?
Auf den NachDenkSeiten wurde, noch bevor das Urteil verkündet war, eine Petition gestartet, mit dem Titel „Hoeneß ablösen, den Anstand retten“. Unabhängig davon, wie das Urteil ausfalle, sei die bereits bekannt gewordenen Steuerhinterziehung untragbar. Die Petition hat sich mittlerweile erledigt, Hoeneß ist von seinen Ämtern zurückgetreten. Doch das Argument bleibt bestehen: Uli Hoeneß sei zu einem Symbol der Maßlosigkeit geworden. Ein solcher Präsident im Amt des größten deutschen Fußballclubs trage zur ‚Verwilderung der Sitten‘ bei. Anstand ist der leitende Gesichtspunkt. Es liegt, gerade bei Uli Hoeneß, nahe, den Anstand ins Spiel zu bringen. Denn er selbst hielt sich eben nicht zurück über Unanständigkeiten von Bankern zu reden, bevor er selbst mit seinen Unanständigkeiten in den Blick kam.
Diese Petition wird auf feynsinn scharf kritisiert. Die Moral steche damit die Unschuldsvermutung aus. Doch Moral sei die völlig falsche Kategorie. Als ginge es bei der Frage, wer ein Unternehmen, wie den FC Bayern, leiten sollte, um Fragen der Moral. Sie ist bloß eine Waffe derjenigen, die immer Recht haben wollen. Mit einer Petition, die den Anstand in den Mittelpunkt rückt, gehe man an allen relevanten Strukturfragen vorbei. Hier müsste demnach angesetzt werden, nicht bei der Person Uli Hoeneß, ob sie nun maßlos oder aufrecht sei. Es gehe eben nicht zuallererst darum, ob Hoeneß anständig ist, und ob es anständig ist, dass er nun zurückgetreten ist.
Karl-Heinz Thielmann sieht das Problem auf dem Wirtschaftsblog Blick Log ebenfalls nicht moralisch gelagert. Wenn Uli Hoeneß davon spreche, dass die Steuerhinterziehung der Fehler seines Lebens gewesen sei, dann habe er noch immer nichts verstanden, so Thielmann. Hoeneß stehe für den Wahn eines kurzfristigen Erfolgs. Seine Börsenspekulationen machen deutlich, wie gefangen er in diesem ‚Wahnsystem‘ war. Die ungeheuren Erfolge, die kurzfristig an der Börse erzielt werden können, verändern die Selbstwahrnehmung. Vollkommene Selbstüberschätzung sei eine häufige Folge. Die Börse – und immer mehr auch der Fußball – stehen für den kurzfristigen Erfolg, den Erfolg im Jetzt. Und das sei dann tatsächlich ein Strukturproblem, da der kurzfristige Erfolg die Realität überdecke.
Aber steht Hoeneß nicht gerade für den langfristigen Erfolg? Für den Aufbau der Weltmarke Bayern über Jahrzehnte? Das wäre eine mögliche Lesart. Die andere wäre dann, dass Hoeneß immer den nächsten Erfolg suchte, sich niemals auf vergangenen Erfolgen ausruhte, sondern stets im Jetzt das Größte erreichen wollte. Aus vielen kurzfristigen Erfolgen wurde dann die beeindruckende Erfolgsgeschichte von Bayern München. Dass der Verein nun stürzt, ist gar nicht zu erwarten, der Fall von Uli Hoeneß wird die Medien noch eine Weile beschäftigen.