Akif Pirinçci: Skandale, wohin man blickt
Akif Pirinçci hat einen Bestseller geschrieben: „Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer.“ In seinem Buch wütet Pirinçci gegen das, was man den ‚linken Mainstream‘ nennen könnte: gegen die Homosexuellen-Ehe, gegen den Feminismus und gegen einen scheinbaren Kult um Zuwanderer, den er wahrnehme. Das Buch wird gerade zu einem Skandal-Bestseller, bei Amazon auf Platz Eins der Bestsellerliste!
Menschenverachtung wird Pirinçci aufgrund seiner Ausführungen vorgeworfen. Doch der Skandal geht längst weiter: Pirinçci wurde vom ZDF Mittagsmagazin eingeladen, und wieder polemisierte er in einem scharfen Ton, zum Beispiel gegen die „rot-grün versiffte Politik“. Der nächste Skandal also. Und es ging noch weiter: Das ZDF veröffentlichte zunächst das Mittagsmagazin in der Mediathek ohne dieses Interview, dann, nach Protesten, gekürzt. Eine Äußerung Pirinçcis über die Grünen als „Kindersex-Partei“ sei möglicherweise justiziabel und wurde deshalb herausgeschnitten. Das passte nun ins Bild eines öffentlich-rechtlichen „Staatsfernsehens“, was wiederum einen Skandal auslöste.
Auf dem Blog Konjunktion wurde dieser Vorgang als Zensur gebrandmarkt. Das ZDF sei weder „Qualitätsmedium“ noch ein unabhängig berichtender Sender, sondern zeige sich als ein Organ, das einer gesellschaftlichen Elite das Wort rede. Zwar sei es, so ist es auf Konjunktion zu lesen, längst bekannt, dass das ZDF bestimmte Gegenmeinungen zum Mainstream nicht zur Geltung kommen lasse, doch diese ‚Zensur‘ sei dennoch ein ungeheuerlicher Vorgang. Irritierend sei der ganze Vorgang zudem, da kaum zu erwarten war, dass Pirinçci nun im Interview plötzlich andere Standpunkte vertreten würde, seine Ansichten und seine Form der Polemik waren durch das Buch ja bekannt.
Das legt die Unfähigkeit einiger Handelnder des ZDF in dieser Sache nahe. Dem geht vor allem Stefan Niggemeier nach. Niggemeier will den Begriff ‚Zensur‘ nicht gelten lassen, sondern versucht in einer ausführlichen Analyse zu zeigen, wie Susanne Conrad, die das Gespräch mit Pirinçci führte, an dieser Aufgabe vollständig scheiterte. Sie stelle sich, so Niggemeier, überhaupt nicht der Diskussion, trete ihm gar nicht entgegen, sondern Pirinçci werde wie ein „possierliches Tier“ behandelt. Seine Aussagen bleiben deshalb unwidersprochen, seine Polemiken werden nicht kritisiert. Im Grunde betreibe das ZDF damit Werbung für das Buch, denn das Ergebnis des kleinen Gesprächs war: Pirinçci sei politisch unkorrekt – und dort, wo ‚political correctness‘ ein Schimpfwort ist, gibt es keine bessere Werbung.
Das Buch selbst kommt bei diesem Fernsehskandal kaum noch vor. Die Stimmung ist aufgeladen: Hetze, der Vorwurf von der einen Seite; Zensur, der Vorwurf von der anderen. Um eine sachgerechte Kritik bemüht sich Markus Vahlefeld auf der Achse des Guten – wo Pirinçci auch schon selbst veröffentlich hat. Vahlefeld will zeigen, dass hier kein Hassprediger am Werk sei, kein Menschenverächter, sondern ein Schriftsteller, der Deutschland liebe. Seine wütenden Ausbrüche seien nur ein Teil des gesamten Puzzles. Daneben stehe ein ernstes Pathos, eine Leidenschaft. Da schreibe beispielsweise niemand, der die Frauen hasst, sondern dem die Lüge verhasst sei, dass das Geschlecht nur anerzogen ist, weil er sehe, welches Leid dies in die Familien bringen könne. Der Ton allerdings sei gewöhnungsbedürftig, Pirinçci lasse mal einen zornigen Gott sprechen und manchmal einen komischen Clown.
Jakob Hein auf einem Blog der taz dagegen bittet Pirinçci – ironisch – diesen ganzen Scherz zurückzunehmen. Er habe nun das ZDF lächerlich gemacht, und die Linken seien in Rage. Nun sei es Zeit, den Witz einzugestehen, die Satire zuzugeben. Denn das Buch sorge für eine üble Stimmung, könne ein Nährboden für Ressentiments werden. Schon jetzt freuten sich die Rechten. Die Wut des Buches wäre demnach nicht unschuldig.
Nach Thilo Sarrazins Skandal-Büchern wird also erneut diskutiert, wie weit Kritik und Polemik gehen dürfen. Wann wird aus Polemik Hetze? Und vor allem die Rolle der Medien, die Meinungsfreiheit – oder zu behaupten, diese werde unterdrückt – sind Themen, die offenbar derzeit viele bewegen!