Alte Verlage, neue Technik: Hanser setzt mit „Hanser Box“ auf E-Books
Die Musikindustrie wurde durch die Digitalisierung schon heftig durchgeschüttelt. Nun sind seit einigen Jahren die Verlage, Medienhäuser und Buchhändler herausgefordert: Das Internet und die neuen elektronischen Lesegeräte haben das Leseverhalten verändert, und damit auch das Kaufverhalten der Leserinnen und Leser. Der Hanser Verlag setzt mit der Gründung von „Hanser Box“ auf exklusive E-Book-Titel.
Fast fünf Jahre ist es her, dass Amazon den Kindle in Deutschland auf den Markt brachte. Viele aus der Branche belächelten dieses Vorhaben zunächst, doch mittlerweile sind E-Reader vollkommen selbstverständlich. Auf Blogspan sind die aktuellen Marktentwicklungen zu sehen. Der Markt für E-Books wächst in Deutschland weiter, im Jahr 2014 soll der Umsatz mit E-Readern auf 114 Millionen Euro anwachsen, das bedeutet, in diesem Jahr werden ungefähr 1,2 Millionen E-Reader verkauft. Hinzu kommen etwa 9,2 Millionen Tablets – und selbstverständlich die Smartphones, die als Lesegeräte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Das ist längst ein bedeutendes Marktsegment.
Niklas Jansen schreibt auf Buchreport über das veränderte Leseverhalten. Er ist selbst Mitbegründer von „Blinkist“, einem mobilen Leseservice. Das Lesen werde kurzatmiger, so Jansen, die Aufmerksamkeitsspanne sinke immer weiter. Das sei allerdings nicht bloß ein Defizit, sondern berge auch Chancen, denn Lesen ist nun permanent möglich. Mikroreading stellt er als eine mögliche Antwort auf diese Herausforderung vor. So könnten beispielsweise Sachbücher auf prägnante Erkenntnisse eingedampft werden. Nicht für jede Leserin und jeden Leser sei alles in einem Sachbuch gleich interessant, und die neuen Formen der Aufbereitung von Wissen, ermöglichen es, das Wissen viel genauer für eine Zielgruppe aufzubereiten und entsprechend anzubieten. Das Lesen werde wieder attraktiv für Personen, die keine Zeit für ein langes Buch haben.
Auf die Kürze setzt nun auch Hanser, wenn auch in anderer Weise. Bei „Hanser Box“ werden in Zukunft reine E-Books erscheinen, jeweils einmal die Woche, oft von renommierten Autoren. Ansgar Warner stellt das neue Konzept auf e-book-news vor. Es geht, so lässt sich zusammenfassen, unter anderem um Leserbindung. Gerade Autoren, die mehrere Jahre an umfangreichen Werken arbeiten, hätten mit „Hanser Box“ die Gelegenheit, sich zwischendurch mit einem kurzen Text an ihre Leserinnen und Leser zu wenden.
Das Literaturcafe hat ein Interview mit Jo Lendle, dem Hanser-Chef, geführt. Lendle erläutert die Idee von „Hanser Box“ und hebt hervor, inwieweit das Lesen vielfältiger werde. Der große Roman als Weltentwurf, der traditionell in gedruckter Form erscheinen wird, steht neben dem kurzen elektronischen Text für Zwischendurch. Von Expeditionsstimmung spricht Lendle in diesem Zusammenhang, explizit nicht von Goldgräberstimmung. Die großen Verlage müssen auf die veränderten Lesegewohnheiten reagieren, wenn sie nicht Verkaufseinbrüche hinnehmen wollen. Doch können sie das überhaupt? Sind die alten Verlage der richtige Ort, um angemessene Lösungen zu finden?
Steffen Meier denkt im Blog von Buchreport darüber nach, inwiefern Verlage auf Innovationen reagieren oder sogar selbst initiieren können. Zunächst seien, Meier zufolge, Verlage geradezu der Widerpart der Startups. Viele Verlage in Deutschland haben eine sehr lange Tradition, sie leben mit einer starren Organisation. Und viele Verlage haben bereits genug Probleme mit dem Kernprodukt, den gedruckten Büchern. Wie sollen da – nebenbei – Antworten auf die Fragen der Digitalisierung gefunden werden? Meier sagt, einfache Lösungen seien nicht zu haben, es kommt auf die Experimentierfreudigkeit und Offenheit an. Und darauf, die Zielgruppe ganz genau zu kennen.
Die „Hanser Box“ ist so ein Experiment. Und es wird sich zeigen, ob der Verlag damit seine Zielgruppe erreichen kann. Vor allem wird sich auch zeigen, ob der Verlag in der Lage sein wird, wie ein Startup, das Projekt konsequent und selbstkritisch zu verfolgen. Anders gefragt: Wird bei anfänglichem Misserfolg wieder die Luft herausgelassen? Das Projekt ist sicherlich nicht allzu innovativ, im Vergleich zu dem, was kleine Verlage bereits anzuschieben versuchen, aber Hanser spielt natürlich in einer anderen Liga – und entsprechend spannend ist es, das Projekt, und seinen Erfolg oder Misserfolg, zu beobachten.