Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg: Medienkritische Anmerkungen

In Thüringen und Brandenburg wurde gewählt. Die Wahlgewinner stehen nun vor den Aufgaben der Regierungsbildung, währenddessen die Wahlergebnisse analysiert werden. Auffällig ist die – wieder einmal – sehr niedrige Wahlbeteiligung. Bereits vor zwei Wochen in Sachsen fiel die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent. Nicht einmal die Hälfte der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger gingen zur Wahl. Dieser Trend bestätigt sich nun in Thüringen und Brandenburg.

Die Gründe einer Wahl fern zu bleiben, können vielfältig sein. Die sehr große Gruppe der Nichtwähler lässt sich nicht auf einen Nenner bringen. Markus Kompa stellt fest, dass jedenfalls die Appelle, bitte wählen zu gehen, nicht (mehr) zum Ziel führen. Kompa fragt deshalb, ob vielleicht die klassischen Nachrichtenmedien, wie Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen, an Einfluss verloren hätten. Die Aufrufe zur Wahl zu gehen, verfingen nicht – sie hatten bei den letzten Wahlen kaum „Impact“, wie Kompa schreibt. Und auch diejenigen, die wählten, wählten eben zu großen Teilen Parteien, die von den Medien eher vernachlässigt werden. Die AfD und die Linke werden von den Medien anders behandelt als die CDU, SPD und die Grünen, Parteien, die längst als etabliert gelten.

Das ist selbstverständlich lange schon ein Thema der Blogger und Autoren, die vor allem im Netz zu Hause sind: Die klassischen Medien bilden die Meinungsvielfalt nicht mehr angemessen ab, man müsse schon lange die Blogs, Blog-Kommentare, Foren und Tweets hinzunehmen, um ein Meinungsbild der Gesellschaft zu erhalten. Christoph Kappes denkt in seinem Blog über die Meinungsäußerungen im Internet nach. Es sei zwar durch das Internet sehr viel einfacher geworden, seine Meinung kundzutun. Es existieren unzählige Möglichkeiten, einen Kommentar zu hinterlassen. Doch es sei schwieriger geworden, darüber zu einem Meinungsbild zu gelangen. Die unzähligen Kommentare müssten erst einmal „verdichtet“ werden. Kappes rät dazu, die Debatten im Internet ernst zu nehmen. Das beginnt bei der Moderation von Kommentaren und geht bis zu neuen Debattenformaten, die eben nicht einfach endlose Kommentare produzieren, sondern eine Verdichtung ermöglichen, also der Debatte eine Struktur verleihen. Das sollten die Medienhäuser sich zur Aufgabe setzen.

Längst nutzen zahlreiche klassische Medien die neuen Kommunikationsmedien. Doch das führt eben nicht zwangsläufig zu einem offenen Journalismus, der „näher dran“ wäre an den Menschen, die sonst von den Medien nicht erreicht werden. In dem Blog Mediarina wurde bereits vor der Wahl auf parteiische Tendenzen der „Zeitungsgruppe Thüringen“ aufmerksam gemacht. Es sind dort Tweets zu lesen, die jeweils die CDU in ein günstiges Licht setzen. Tweets sind äußert knapp, sie reduzieren eine Nachricht auf eine Schlagzeile – und jeweils die CDU und die thüringische Spitzenkandidatin, Christine Lieberknecht, scheinen von der Berichterstattung zu profitieren.

Der thüringischen Spitzenkandidatin wurde eine Bühne bereitet, wogegen Bodo Ramelow, der Spitzenkandidat der Linken, durch das Buch eines Redakteurs der „Thüringer Allgemeinen“ besonders kritisch beäugt wurde. Mit solchen Parteinahmen, die noch über die sozialen Netzwerke verbreitet werden, handeln sich die klassischen Medien wiederum den Vorwurf ein, eben die Personen, die vorrangig Nachrichten im Netz konsumieren, nicht zu erreichen. Der Journalismus müsse gerade den etablierten und mächtigen Politikerinnen und Politikern gegenüber kritischer sein.

Doch das ist mitunter gar nicht so leicht, wie Udo Stiehl nachzuvollziehen versucht. Er hat das Interview, das Caren Miosga für die „Tagesthemen“ mit Christine Lieberknecht führte, niedergeschrieben. Er weist darauf hin, wie wenig sich Lieberknecht um die kritischen Fragen Miosgas kümmerte. Sie nutzte das Interview vor allem, um zu versichern, dass die CDU die Wahl gewonnen habe. Stiehl sagt, das Interview zeige die „Arroganz der Macht“. So als bräuchten den Mächtigen die Fragen der Journalisten nicht zu interessieren.

Die Bürgerinnen und Bürger bleiben immer häufiger den Wahlurnen fern, die Abonnenten-Zahlen mancher Zeitungen brechen ein: Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg haben diese beiden Entwicklungen anscheinend mehr miteinander zu tun, als man vorher vielleicht dachte.