Social Freezing: Wem nützt das?
Facebook und Apple machten bekannt, dass sie die Kosten für das Einfrieren von Eizellen für ihre Mitarbeiterinnen übernehmen werden. Das Einfrieren der Eizellen ermöglicht eine künstliche Befruchtung zu einem späteren Zeitpunkt. Ursprünglich sollte dies vor allem Krebspatientinnen helfen, denn bei einer Chemotherapie werden die Eierstöcke oftmals schwer geschädigt. Durch das Einfrieren der Eizellen lässt sich der Kinderwunsch mit der Therapie vereinbaren.
Die Reaktionen auf dieses Angebot von Apple und Facebook sind in Deutschland heftig: Was bezwecken die Firmen? Und greifen sie nicht zu stark in die Privatsphäre der Mitarbeiterinnen ein?
Doch es ist nicht allein Empörung zu hören, auch andere Stimmen kommen zu Wort. Teresa Bücker schreibt in Edition F, es sei ja kein Druck den Apple und Facebook da ausübten. Das Angebot steht vor allem nicht alleine da, sondern ist eingebettet in eine Fülle von Maßnahmen, die die Unternehmen ergriffen haben, um Frauen bei der Familienplanung zu unterstützen. Facebook kümmert sich unter anderem um die Betreuung der Kinder, hilft bei Adoptionswünschen und zahlt für jedes Kind einer Facebook-Mitarbeiterin eine Prämie von 4.000 US-Dollar. Das Unternehmen wirbt also um Frauen, und in diesem Zusammenhang müsse das „Social Freezing“ gesehen werden.
Außerdem sei die Debatte nicht so ohne weiteres auf Deutschland übertragbar, weil in den USA die Unternehmen oftmals Leistungen übernehmen, die hierzulande die Krankenkassen zahlen. Apple und Facebook wollen also nicht die Familienplanung übernehmen, sondern im Gegenteil den Frauen neue Möglichkeiten eröffnen.
Diese Lesart wird auch in dem Blog Paparockt geteilt. Der Autor befürwortet diese neue Möglichkeit der Familienplanung, die Freiräume biete, Kind und Karriere besser aufeinander abzustimmen. Allerdings eröffnen sich diese Freiräume allein für die, die sowieso in einer privilegierten Situation sind. Für Deutschland sollte deshalb in Erwägung gezogen werden, dass Krankenkassen diese Leistung übernehmen.
Ganz anders beurteilt Katharina Nowak auf dem katholischen Blog kath 2:30 dieses Angebot von Facebook und Apple. Nowak kritisiert die Künstlichkeit dieses Vorgangs der Kindererzeugung. Vor allem aber deutet sie das Angebot von Apple und Facebook als eine Vorherrschaft der Wirtschaftlichkeit über den Menschen. Das Angebot suggeriere, die Karriere komme zuerst, nämlich dann, wenn die Frau biologisch am leistungsfähigsten ist, danach folgen die Kinder, wenn auch die Arbeitskraft ganz langsam nachlässt. Der Mensch werde hier letztlich für die wirtschaftlichen Interessen brauchbar gemacht. Das Ziel müsste nach Nowak umgekehrt sein, die Wirtschaft sollte den menschlichen Interessen weitgehend angepasst werden.
Aber geht diese Kritik nicht zu weit? Denn es ist ja bloß ein Angebot zweier US-Firmen, die Kosten zu übernehmen, um die Eizellen einzufrieren, das neben anderen Angeboten steht, die unter anderem auch den Kinderwunsch von Frauen erleichtern sollen.
Nein, sagt Manfred Bruckner, der den Druck zur Selbstoptimierung, der durch solche Angebote ausgelöst wird, scharf kritisiert. Es sei ein Angebot, das wie Freiheit aussähe, aber die Verantwortung für die optimale Planung in die Hände der Mitarbeiterin lege. Sogar der eigene Körper, sogar die Kinderplanung muss selbstbestimmt optimiert werden – um letztlich die Selbstausbeutung zu perfektionieren. Je mehr solche Möglichkeiten der Familienplanung bestehen, desto mehr lastet der Druck auf dem einzelnen, dies auch optimal umzusetzen. Und wenn ein Unternehmen wie Facebook für das Einfrieren der Eizellen bezahlt, dann sei darin eben eine Struktur der Optimierung zu erkennen, die alle Lebensbereiche umfasse, berufliche wie (ehemals) private.
Dass nun die Debatte über das Social Freezing durch den Vorstoß von Apple und Facebook vorangetrieben wird, ist sicherlich zu begrüßen. Und dahinter kommt eine sehr viel größere Frage zum Vorschein: In was für einer Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?