Gibt es eine Strategie? Geplante Entlassungen bei der „Brigitte“
Der Verlag „Gruner + Jahr“ wurde gerade erst von „Bertelsmann“ vollständig übernommen. Nun berichteten Zeitungen über die ersten geplanten Kündigungen bei der „Brigitte“ und bei „GEO“. Besonders die Kündigungen bei der „Brigitte“ haben für Wirbel gesorgt, sollen doch alle Textredakteure entlassen werden. Woher sollen die Texte nun kommen? Die „Brigitte“ will vermehrt auf Freelancer setzen, die für die Zeitschrift schreiben.
Michael Spreng sagt, damit beschleunigten die Verlage das Sterben ihrer Printmedien. Das sei „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“. Und sowohl für die Mitarbeiter der Verlage als auch für die Leserinnen und Leser sei das eine verhängnisvolle Entwicklung: Die freien Journalisten stehen schlechter da als vorher die festangestellten, und für die Leserschaft stelle sich irgendwann die Frage, wozu das Blatt denn noch gekauft werden solle, wenn der gute Journalismus nach und nach aufgegeben werde.
Die Begründungen für diese Neustrukturierung, die bei „Gruner + Jahr“ geplant wurde, seien zudem fadenscheinig, worauf Kai Biermann auf neusprech hinweist. Das Wort „Netzwerkredaktion“ sei in der Begründung von „Gruner + Jahr“ gefallen, und das wecke unter anderem ganz erfreuliche Assoziationen, wie Vernetzung und das Internet. Außerdem wird von einem „kreativen und flexiblen Kompetenzteam“ gesprochen. Diese Worthülsen führten allerdings die Leserinnen und Leser in die Irre. Mit solchen Worten sollten nur, wie in den Jahren zuvor oftmals mit dem Begriff „Synergie“, Stellenstreichungen kaschiert werden.
Indem das Redaktionsteam durch Freelancer ersetzt werde, verlieren die Zeitschriften an Identität, bemängelt Alf Frommer. Die Marken, wie „Brigitte“ oder „Der Spiegel“, seien heute weniger stark als früher. Das resultiert auch aus dem Medienkonsum im Netz. Wo die Inhalte konsumiert werden, spiele kaum noch eine Rolle, viel eher gelinge es einzelnen Autorinnen oder Autoren zu einer „Marke“ zu werden. Die „Brigitte“ werde diesen Trend voraussichtlich verstärken. Wenn ständig neue Schreiber am Werk seien, hätten die Inhalte keine Identität, nichts, was sie besonders auszeichne. Schließlich gefährde das die Wiedererkennbarkeit des Magazins.
Einen sehr differenzierten Blick wirft Thomas Knüwer, der sich immer wieder mit den Problemen der Print-Medien beschäftigt hat, auf die Umstrukturierungen innerhalb der Brigitte-Redaktion. Das Modell einer Redaktion, die ihre Texte ausschließlich von Freelancern bezieht, sei nicht in jedem Fall ein Problem. Solche Redaktionen könnten durchaus Erfolg haben, sagt Knüwer. Zudem seien viele der besten Journalisten eben Freelancer und nicht fest bei einer Redaktion angestellt. Und auch die Bezahlung muss nicht zwangsläufig schlechter sein. Das Modell, das nun im Haus von „Gruner + Jahr“ umgesetzt wird, bietet also tatsächlich auch Möglichkeiten, und es ist nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Allerdings glaubt Knüwer nicht daran, dass es bei der „Brigitte“ erfolgreich umgesetzt werden kann. Schon längst fehle es den großen Verlagen an der Fähigkeit, Qualität differenziert zu beurteilen, das Wort vom „Qualitätsjournalismus“ sei nichts weiter als eine Floskel.
Das ist dann doch eine vernichtende Einschätzung, und damit liegt die Verantwortung für die Misere ganz bei den Redaktionsleitern, und es ist kein Automatismus am Werk, bei dem Printangebote durch kostenlose Online-Angebote ausgetauscht werden müssten.
Sabine Felber schaut bei den Plänen von „Gruner + Jahr“ vor allem auf die Mitarbeiter, die nun voraussichtlich entlassen werden. Einerseits bedauert Felber die Redakteure, aber sie sieht auch eine Chance, die mehr Freiheit verspreche. Mehr Freiheit? Wäre das nicht eine total neoliberale Sicht auf die Dinge? Felber sieht vor allem das Problem, dass die Freelancer eben keine Interessenvertretung haben, keine Gewerkschaft, die für sie eintritt. Sie hofft auf die nächste Generation von Redakteuren, die Freiheit und zugleich Teilhabe einfordern solle. Diese Interessen müssten gemeinsam geäußert werden.
Viele Medienhäuser und Verlage müssen zurzeit umdenken, da die Umsätze an vielen Stellen einbrechen. Und Zeitschriften, wie die „Brigitte“, müssen nun beweisen, dass sie doch einen so großen Wert darstellen und dass sie aus dem riesigen Medienangebot im Internet herausstechen, so dass die Leserinnen und Leser gerne dafür bezahlen.