Wie umgehen mit den Flüchtlingen?
Lange schienen diejenigen, die über den Land- oder Seeweg nach Europa kommen, weil sie vor Krieg, Gewalt, Verfolgung oder Armut fliehen, für viele Menschen hierzulande relativ weit weg zu sein. Mit den Flüchtlingen hatten allem Anschein nach eher die südeuropäischen Länder zu tun, etwa Italien oder Griechenland. Dort betritt ein großer Teil der aus dem Süden flüchtenden Menschen – aus verschiedenen afrikanischen Ländern, dem Irak oder Syrien – zum ersten Mal den Boden des Schengen-Raums. Nicht nur über das Mittelmeer, auch über die südosteuropäischen Länder des Balkans, versuchen viele Menschen nach Schengen-Europa bzw. in die EU zu gelangen.
Die Flüchtlingsbewegung nimmt derzeit immer größere Ausmaße an, die Zahl der Menschen, die in Europa Asyl beantragen, steigt beständig. Dies ruft bei Vielen Abwehrreaktionen hervor: Ungarn hat mit dem Bau eines 175 km langen, stacheldrahtbewehrten Zauns entlang der Grenze zu Serbien begonnen, um diesen Weg für die Flüchtlinge zu verstellen. Großbritannien will sich besser gegen illegale Grenzübertritte von Flüchtlingen abschotten und hierfür den Eurotunnel, der die Insel mit dem europäischen Festland verbindet, noch stärker absichern. Vielerorts in Europa sind stark zunehmende fremdenfeindliche Ressentiments zu verzeichnen.
In Deutschland, auf das in diesem Jahr laut Innenminister Lothar de Maizière bis zu 800.000 neue Flüchtlinge zukommen könnten, ist längst die Debatte darüber entbrannt, wie man mit diesem Zustrom (maritime Metaphern dominieren die Flüchtlingsdebatte) umgehen soll. Die regulären Aufnahmekapazitäten seien bald ausgeschöpft; Zeltstädte werden errichtet, um die vielen neuen Flüchtlinge unterbringen zu können. Diejenigen, so argumentieren insbesondere Unions-Politiker, die ohnehin kaum Aussichten auf Asyl hätten, nämlich die Menschen, die aus dem Südosten Europas nach Deutschland kommen, sollen schneller abgeschoben und deren Herkunftsländer hierfür als sicher erklärt werden. Auf Dauer könne man einfach nicht so viele Menschen aufnehmen, so de Maizière.
Doch es bleibt nicht nur bei hitzigen Wortgefechten: In verschiedenen deutschen Städten wurden neu geschaffene oder hergerichtete Unterkünfte für Flüchtlinge in Brand gesteckt – zumeist kurz bevor sie bezogen werden konnten.
Liisa ist auf ihrem Blog Charming Quark entsetzt und empört darüber, dass gerade in Deutschland, mit seiner Geschichte, viele Menschen den Flüchtlingen nicht helfen wollen, dass sie sagen, dass das Boot voll sei. Habe man aus der Vergangenheit denn nichts gelernt, fragt sie. Woher komme der vielerorts anzutreffende Hass und die Wut gegen die Flüchtlinge? Es sei unsere Pflicht, ihnen zu helfen. Wer sage, wir könnten doch schließlich nicht allen helfen, der suche doch nur eine billige Ausrede, so Liisa.
Auch Alfons Pieper ist auf dem Blog der Republik über die zunehmende fremdenfeindliche Hetze gegen Flüchtlinge erschrocken und beschämt. Das zudem diejenigen, die sich den Rechtsextremen entschlossen und öffentlich entgegenstellen, bedroht und angegriffen werden, wie ein Blogger des Debattenmagazins „The European“ oder das Künstlerpaar Lohmeyer im mecklenburgischen Jamel, findet Pieper unerträglich und ruft zu einem „Aufstand der Anständigen“ auf, um dem etwas entgegenzusetzen.
Wolfgang Bok setzt sich in einem Gastbeitrag auf Tichys Einblick dafür ein, dass doch endlich die wirklich wichtigen Dinge im Zusammenhang mit der derzeitigen Flüchtlingsproblematik angesprochen werden, statt nur die Zunahme von fremdenfeindlicher Hetze zu beklagen. Wir seien hier doch einfach viel zu großzügig und nachsichtig, wollen die Reisefreiheit bloß nicht einschränken und würden uns oftmals scheuen, die illegale Zuwanderung auch klar als solche zu benennen und zu kritisieren. So würden zwangsläufig immer mehr Menschen über das Mittelmeer zu uns kommen. Die Kosten und Konsequenzen für uns würden dann eminent hoch. Es kämen ja schließlich auch nicht die hochqualifizierten Fachkräfte über das Mittelmeer zu uns, die man für den Arbeitsmarkt benötigen würde. Diese gingen lieber gleich in die USA.
Eugen Sorg ist auf Die Achse des Guten (zuerst erschienen auf bazonline.ch) davon überzeugt, dass der ganz überwiegende Teil der Menschen, die gerade nach Europa kommen, nicht vor Krieg und Elend flüchten, wie dies oft kolportiert würde, sondern auf die hiesigen üppigen sozialstaatlichen Leistungen aus seien. Es handle sich um Wirtschaftsmigranten, zumeist muslimische zudem, die wüssten, dass sie hier nicht mehr fortgeschickt würden. Wenn man diesem Treiben jetzt nicht Einhalt gebiete, werde das uns jetzt noch bekannte Europa bald nur noch eine blasse Erinnerung sein.
Leo Brux, der auf dem Migrationsblog der Initiativgruppe e.V. die derzeitige „Flüchtlingskrise“ ausdauernd verfolgt und kommentiert, ist zwar der Meinung, dass Deutschland 600.000 oder 750.000 Flüchtlinge wirtschaftlich durchaus locker bewältigen könnte und dass Deutschland aufgrund der rückläufigen demographischen Entwicklung ja auch auf Zuwachs von Außen angewiesen sei, dennoch treibt ihn die geradezu peinigende Frage um, ob man nicht doch irgendwann bzw. irgendwo ein Limit setzen müsste. Zumindest sollte man sich diese(r) Frage stellen (dürfen).
Wie lässt sich ein geordneter, sachlicher Diskurs über Zuwanderung initiieren, über die Chancen und Risiken, die diese mit sich bringt? Wie verhindert man das Umkippen in Populismus? Diese Fragen gilt es zu beantworten.