Öffentlich-rechtlicher Sender? Staatsvertrag des ZDF ist verfassungswidrig!
2009 übten einige Politiker der Unionsparteien, insbesondere Roland Koch, der ehemalige hessische Ministerpräsident, Druck aus: Der Vertrag von Nikolaus Brender, damals Chefredakteur des ZDF, sollte auf keinen Fall verlängert werden. Der Plan ging auf, Brender musste das ZDF verlassen. Das sorgte für einen Eklat, und von vielen Seiten wurde eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrages gefordert. Diese Änderung wird es 2015 geben, dafür hat das aktuelle Urteil der Karlsruher Richter gesorgt.
Zurzeit sitzen im Verwaltungs- und Fernsehrat des ZDF viele Politiker und ‚staatsnahe Personen‘. Die meisten dürfen auch bleiben, eine Quote von maximal 33 Prozent wird nun per Gesetz vorgeschrieben. Die anderen Mitglieder können aber nicht mehr, wie es bislang üblich war, von den Ministerpräsidenten der Länder bestimmt werden. Die öffentlich-rechtlichen Sender, so die Karlsruher Richter, dürften „nicht zum Staatsfunk werden“. Doch in den Blogs herrscht weitgehende Einigkeit darin, dass die Änderungen nicht weit genug gehen. Die Verflechtungen der öffentlich-rechtlichen Sender mit der Politik sind nach wie vor ein Thema, das viele bewegt.
Michael Spreng schreibt auf seinem Blog sprengsatz, das Urteil werde nicht zu mehr journalistischer Unabhängigkeit führen, es sei zu halbherzig. Nur ein Richter, Andreas Paulus, forderte eine weitgehende Freiheit der Aufsichtsgremien von Staatsvertretern. Die Politik gibt zwar Einfluss ab, allerdings nur einen kleinen Teil. Zudem seien die alten Seilschaften zu stark, als dass nun eine spürbare Veränderung eintreten könnte.
Zu einem differenzierten Urteil kommt Sophie-Charlotte Lenski auf dem Verfassungsblog. Vor allem für die Parteien sei das Urteil von Bedeutung: Diese nehmen eine Zwischenstellung zwischen Gesellschaft und Staat ein. Das heißt, sie wären insofern, der Funktion nach, die richtigen im Aufsichtsrat als Vertreter der gesellschaftlichen Interessen. Allerdings könnten die Politiker das Fernsehen für ihren Machterhalt missbrauchen. Die führenden Personen der Parteien seien also nicht mehr in der Lage in den Aufsichtsgremien die Gesellschaft zu repräsentieren, so das Urteil. Doch wer tritt an deren Stelle? Wer soll nun Sachwalter der Gesellschaft sein? Hier fehle ein gesellschaftliches Instrument, das diese Aufgabe erfüllen könne.
Obwohl sich die Zusammensetzung in den Gremien bald ändere, das Programm des ZDF werde dadurch wohl kaum beeinflusst, mutmaßt auch Lenski. Die wichtigere Frage wäre für sie, was die Aufsichtsräte überhaupt noch beaufsichtigen; inwieweit Einfluss überhaupt noch genommen werden kann, wenn die meisten Inhalte von privaten Firmen angekauft werden. Hier hätte die Justiz ebenfalls ansetzen können. Doch die Qualitätsdebatte spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Dabei ist die Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern längst ein immer wiederkehrender Topos. Stefan Niggemeier, der gerade Jan Böhmermann und sein „Neo Magazin“ porträtiert hat, lässt es durchblicken: Es ist absurd, dass dessen Sendung auf ZDFneo ausgestrahlt werde und keinen Sendeplatz im ZDF bekommt. Das ZDF gilt als alt, konservativ, träge – und politisch beeinflusst.
Das Urteil aus Karlsruhe begrenzt den politischen Einfluss ein wenig, wird jedoch (vorerst) nicht dazu führen, dass die Gesellschaft stärkeren Einfluss auf das Programm nehmen kann. Indem einige Personen ausgetauscht werden, verändert sich kaum etwas, solange dieses strukturelle Problem bestehen bleibt.