Terror und Medien: Der Cyber-Angriff auf den Sender „TV5 Monde“ durch den IS

Durch einen Hacker-Angriff auf das Medienhaus „TV5 Monde“ wurde am 9. April für mehrere Stunden der Sendebetrieb aller hauseigenen Fernsehsender lahmgelegt. Außerdem kontrollierten die Hacker die Webseite, die Twitter- und Facebook-Accounts der Sender und verbreiteten darüber Propaganda für den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS). Sie drohten in ihren Botschaften französischen Soldaten und deren Angehörigen mit dem Tod. Es dauerte Stunden bis „TV5 Monde“ wieder Herr im eigenen medialen Hause war, die Webseite funktionierte sogar am nächsten Tag noch nicht störungsfrei. Mutmaßlich steckte die Terrormiliz IS hinter dieser Cyber-Attacke.

Der brutale Anschlag auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ Anfang des Jahres hatte bereits gezeigt, welchen Stellenwert die Medien in den Augen der IS-Terroristen haben. Und die Zerstörungen bedeutender archäologischer Stätten im Irak, wie der antiken Stadt Nimrud, lassen sich vor allem unter dem Gesichtspunkt der Propaganda verstehen. Auf dem Blog Was mit Medien ist ein Interview mit dem Soziologen Stephan Humer zu lesen (das auch bei DRadioWissen zu hören war). Humer hebt die symbolische Bedeutung hervor, die der Angriff auf ein Medienhaus hat. Die Botschaft des erfolgreichen Angriffs verbreitete sich rasant und bot zugleich die Möglichkeit, eigene Propaganda abzuspielen. Erstaunt war Humer über den abgestimmten Angriff auf mehreren Ebenen, der zeitgleich verschiedene Ziele attackierte und eben nicht nur den Sendebetrieb störte. Dabei, so Humer, geht es bei dem konkreten Ziel „TV5 Monde“ wohl weniger um die politische Bedeutung des Senders, sondern vor allem um die Frage, ob so ein Angriff machbar sei. Ob die Hacker vorher bei anderen Sendern bereits Angriffe erprobten, werden wir nicht erfahren. Humer erklärt, dass es eben um den großen Erfolg geht – und deshalb „TV5 Monde“ das geeignete Ziel war.

Möglich war der erfolgreiche Angriff wohl auch, weil die Mitarbeiter von „TV5 Monde“ allzu fahrlässig mit ihren Passwörtern umgingen. So ist bei einem Fernsehinterview in der Sendeanstalt im Hintergrund ein Notizzettel mit wichtigen Passwörtern zu erkennen, wie Sam Machkovech für ars technica schreibt. Die Passwörter waren demnach sehr leicht zu erraten, wie „lemotdepassedeyoutube“, was ungefähr „das Passwort für YouTube“ bedeutet.

Das Sicherheitsproblem, vor dem die westlichen Medienhäuser stehen, haben in ähnlicher Weise die terroristischen Organisationen selbst. Martin Schmetz schreibt für den Sicherheitspolitik-Blog der Universität Frankfurt am Main über die Strategien der Dschihadisten, ihre eigene IT-Sicherheit zu gewährleisten. Denn für ihre Propaganda-Videos und die Verbreitung der Botschaften im Internet greifen die Akteure des IS auf die Plattformen der westlichen Internetfirmen, wie Googles YouTube oder Facebook, zurück. Die technische Infrastruktur, auf die der IS angewiesen ist, liegt nicht in deren eigenen Händen, wodurch es für westliche Geheimdienste und Behörden möglich wird, an Informationen zu gelangen und die Propaganda zu bekämpfen.

Patrick Möller hat – ebenfalls für den Sicherheitspolitik-Blog – dargelegt, wie die Dschihadisten die Medien nutzen, um Kämpfer zu rekrutieren. Diese Strategien sind mittlerweile in weiten Teilen bekannt, allerdings reagierte der deutsche Staat viel zu spät auf diese Bedrohung. Mittlerweile wurden zahlreiche Internetseiten gesperrt und Facebook- und Twitter-Accounts gelöscht. Diese verspätete Reaktion zeige nur eine Seite des Versagens, so Möller, vor allem habe man es versäumt, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, das heißt, „Gegennarrative“ zu entwickeln, um der Propaganda des IS entgegenzuwirken. Noch seien die Maßnahmen spärlich, die muslimische Jugendliche gezielt ansprechen, um ihnen ein anderes „Narrativ“, eine andere Version der Geschichte, anzubieten.

Die Wirkung der Propaganda wird in jeder Hinsicht noch zu wenig bedacht. Rainer Schreg, der das mutmaßliche Beweisvideo auf Archaeologik zeigt, auf dem die Sprengung der antiken Stadt Nimrud zu sehen ist, weist auf die Problematik der Berichterstattung mit einem knappen Satz hin: Womöglich hätte das enorme Medienecho über die Zerstörung der Kulturschätze im Irak (die Blogumschau fasste ebenfalls zusammen) nun die Sprengung Nimruds befördert. Was die eine Seite als erschreckendes Ausmaß des Terrors bezeichnet, wirkt zugleich als Propaganda für die andere Seite.

Wie dieses Problem in der Berichterstattung aufzulösen ist, bleibt nach wie vor unklar.