Der Bachmannpreis 2015

Gewinner_des_Bachmannpreises

“Gewinner des Bachmannpreises” von Pirapakar Kathirgamalingam.

Den Bachmannpreis 2015 hat die Autorin Nora Gomringer gewonnen. Bekannt ist Gomringer bislang vor allem für ihre Lyrik und ihre Beiträge in der Poetry-Slam-Szene, nun wurde sie für ihren Prosatext „Recherche“ ausgezeichnet. Sowohl den Kelag- als auch den Publikumspreis erhielt Valerie Fritsch, den 3sat-Preis Dana Grigorcea. Die Wahl verlief dabei spannend, vor allem weil sich die Jury-Mitglieder uneinig waren, welcher Text und welche Form von Literatur auszuzeichnen sei. Teresa Präauer, die als einzige Autorin in der ersten Runde zwei Jury-Stimmen auf sich vereinigen konnte, ging am Ende leer aus.

Präauers Text, den der Jury-Vorsitzende Hubert Winkels als den unterhaltsamsten der drei Tage bezeichnete, erzählt die Geschichte eines Mannes, Schimmi, der sich für eine Frau zum Affen macht, das heißt, er zieht sich ein Affenkostüm an und geht dann zu ihr. Auf dem Wallfischblog wird Präauers Text scharf kritisiert, denn eine angedeutete Vergewaltigung werde allzu billig aufgelöst. Genau das hatte die Jurorin Sandra Kegel angemerkt. Der Protagonist im Affenkostüm höre in dem „Nein“ nur ein „Ja“, was als Muster immer wiederkehrt, wenn über Vergewaltigungen gesprochen wird. Doch Präauers Text bleibe ganz spielerisch und lustig, mache nichts aus diesem Problem und bagatellisiere es dadurch.

Nora Bossong gratuliert auf dem ZEIT-Autoren-Blog Freitext der Bachmannpreisgewinnerin Nora Gomringer. Bossong ist, was den Juroren als witziger Einfall galt, die Hauptfigur des Textes „Recherche“. Dieses Verwirrspiel nimmt Bossong auf und greift auch die Überlegungen der Diskussion auf. Juri Steiner hatte davon gesprochen, dass der Name Bossong sich so gut eigne für die Geschichte, weil er an das Gottesteilchen („Higgs-Boson“) erinnere. Nun beschreibt sich Bossong selbst als Gottesteilchen und als Gewinnerin des Bachmannpreises, den sie als literarische Figur gewonnen habe. Das ist ein intelligentes Spiel auf verschiedenen Ebenen, um einen Text vom Tod eines Dreizehnjährigen, der von den Mitbewohnern eines Hauses in den Suizid getrieben wurde.

Gregor Keuschnig hebt Juri Steiners Bemerkung hervor: Als dieser Gomringers Text nominierte, sagte er, er wähle den Text, bei dem er sich beim Hören mitschuldig fühle. Der Text, so Keuschnig, sei keineswegs auf die Performance der Poetry-Slam-Künstlerin zu reduzieren, sondern schaffe den Spagat, „unterhaltsam ohne trivial zu sein“ und zugleich, werde dem Leser am Ende ein moralischer Ablass gewährt. Doch gerade die Schuldzuweisung im Text sei das, was Keuschnig ablehne und sich deshalb eher an andere Texte des diesjährigen Bachmannpreises halte.

Die drei Autorinnen, die am Ende die Preise gewinnen konnten, zählte Jochen Kienbaum gleich zu seinen Favoritinnen. Besonders freut sich Kienbaum, dass Fritschs Text „Das Bein“ auch den Publikumspreis gewinnen konnte, obwohl es sich hierbei um eine komplexe Erzählung mit einem schweren Thema handelt: Die Amputation eines Beines und das Warten auf den Tod. Zwar polemisierte Kienbaum zuvor gegen den Bachmannpreis, doch denkt er nicht, dass das Konzept erledigt ist. Lediglich ein paar Neuerungen wären sinnvoll, um das Ritualhafte der Kritik zu durchbrechen. Ein Lichtblick in der Jury sei Klaus Kastberger gewesen, der in diesem Jahr zum ersten Mal dabei war.

Das bestätigt auch das Literaturcafé, das in einer Umfrage Kastberger als beliebtesten Juror ermittelte. Nicht allein die Performance der Autorinnen und Autoren wurde also beäugt, sondern auch die Kritiker werden letztlich wiederum kritisiert. Vor allem dass Kastberger eben nicht aus dem Elfenbeinturm heraus wohlfeile Urteile äußere, gefiel offenbar den Zuschauerinnen und Zuschauern: ein weiterer „Gewinner“ des Bachmannpreises.

Der Wettbewerb, der selbst immer wieder in der Kritik stand, dürfte also im nächsten Jahr wieder mit Spannung erwartet werden, so wie die nächsten Texte der dritten Preisträgerin, Dana Grigorcea, in dessen Erzählung Kastberger das Potenzial für einen größeren Text erkannte. Eingehend wird die Erzählung auf dem Blog von Anton Potche gewürdigt, der sich über die neue Stimme in der deutschen Literatur freut, und zugleich bedauert, dass der rumänischen Literatur wohl diese Stimme nun verloren gehe.