Wer demonstriert da montags?

Montagsdemonstrationen haben in Deutschland eine überaus beachtliche und respektable Tradition. Im Herbst 1989 setzten sich mehrere zehn- und schließlich hunderttausend DDR-Bürger im Zuge von Montagsdemonstrationen für eine friedliche und demokratische Um- und Neuordnung der Verhältnisse und ein Ende der SED-Herrschaft ein. Um 2004 wurde der Begriff der Montagsdemonstrationen dann von anderer Stelle aufgegriffen, um gegen Sozialabbau und insbesondere die Hartz IV-Reformen zu demonstrieren. Seit einiger Zeit finden nun in verschiedenen deutschen Städten immer montags Demonstrationen bzw. Mahnwachen statt, die sich unter anderem unter dem Motto „Wir! Sind das Volk“, für Frieden in Europa und in der Welt, für eine ehrliche Presse und teilweise auch für ein Ende der „Todespolitik der Federal Reserve Bank“ einsetzen. Die Bewegung ist durchaus heterogen, verschiedene Medienberichte machten in letzter Zeit jedoch auf bedenkliche Tendenzen der Demonstrationen aufmerksam: von einer rechten Unterwanderung ist die Rede und von merklich antisemitischen (Unter-)Tönen, die dort zu vernehmen seien. Im Netz kam es daraufhin zu äußerst kontrovers geführten Debatten.

Wer demonstriert da eigentlich montags und was hat es mit den Zielen der Demonstranten auf sich?

Auf dem ZEIT-Blog Störungsmelder berichtet Roland Sieber von einer bedenklichen rechten Schlagseite der neuen Friedensbewegung. Sieber kritisiert, dass man sich nicht entschieden gegen vorhandene rechtsextreme und antisemitische Tendenzen und Strömungen innerhalb der Bewegung ausspreche. Auch Personen mit bekannt rechtsextremistischem oder verschwörungsideologischem Hintergrund kamen etwa am offenen Mikrofon der Hamburger Mahnwache zu Wort – wenngleich dies auf Ablehnung vieler Demonstranten gestoßen sei. Zudem sei nicht eindeutig festzustellen, wer wirklich hinter den Demonstrationen stecke; möglicherweise gebe es Verbindungen zu einer verschwörungstheoretischen Gruppe aus den USA. Dies zusammengenommen, warnt Sieber vor einem Abgleiten, der ursprünglich breiter angelegten neuen Friedensbewegung, in eine rechte Ecke.

Den Musiker Kaveh treibt in einem Gastbeitrag auf der Seite Die Freiheitsliebe die Frage um, ob die teilweise harsche Kritik an den Friedensmahnwachen und den dort vertretenen Positionen wirklich berechtigt sei und kommt zu einem differenzierten Urteil: Zwar findet er die Standpunkte von einigen prominenteren Wortführern der Mahnwachen in mancherlei Hinsicht bedenklich oder zu vereinfachend in der Sache, doch ließen sich diese gleichwohl nicht so einfach und eindeutig in eine rechte oder antisemitische Ecke stellen, wie dies oftmals dargestellt würde. Das Hauptproblem mit den Mahnwachen sieht Kaveh darin, dass sich die Wortführer und auch viele Demonstranten eben nicht eindeutig politisch verorten ließen, was rassistischen, antisemitischen, homophoben oder nationalistischen Unterwanderungsversuchen eine Tür offen lasse. Hier wäre eine viel deutlichere Abgrenzung vonnöten, so Kaveh.

Auch Konstantin Wecker fordert auf der Seite Hinter den Schlagzeilen zu einem genaueren Hinsehen auf die montäglichen Friedensmahnwachen auf. In Zeiten der immer weiter eskalierenden Ukraine-Krise sei eine starke Friedensbewegung nötiger denn je. Es sei höchste Zeit, auf die Straße zu gehen und insofern sieht er auch Gutes bei den Mahnwachen, die ja unter anderem den Weltfrieden propagieren. Doch zugleich spricht sich Wecker vehement gegen verschwörungstheoretische Tendenzen, eine tendenziöse Geschichtsklitterung und antisemitische Untertöne aus, die dort eben auch zu vernehmen seien. Bei aller Friedensliebe solle man eben nicht vergessen ganz genau hinzuschauen, wer da alles unter dem Banner des Friedens mitlaufe, so Wecker.

So landet man diese Woche abermals bei der Aufforderung, die Dinge differenziert zu betrachten, wie dies insbesondere im Hinblick auf die Ukraine-Krise oder auch hinsichtlich der türkischen Regionalwahlen ja immer wieder von verschiedenen Seiten (und Blogs!) eingeklagt wurde.