Ein schmaler Grat – Demonstrationen gegen Israels Politik

Das derzeitige militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen schlägt in Deutschland – und einigen anderen europäischen Ländern – hohe Wellen. Bilder von zerstörten Häusern, verwundeten oder getöteten Zivilisten – darunter Frauen und Kinder – sorgen für Empörung. Wieder einmal, wie man dazu sagen muss. In verschiedenen deutschen Städten fanden Demonstrationen gegen Israel bzw. die israelische Militäroffensive statt. Neben Kritik an Israels Politik und dem Umgang mit den Palästinensern, waren mancherorts israelfeindliche und auch merklich antisemitische Äußerungen zu vernehmen. „Hamas, Hamas – Juden ins Gas“ soll etwa gerufen worden sein. Auch einige Neonazis sollen unter den Demonstranten gewesen sein. Sind das nur Einzelfälle? Oder Anzeichen für einen verstärkt aufflammenden Antisemitismus in Deutschland? Und wie weit darf Kritik an Israel gehen?

Gideon Böss weist auf Böss in Berlin auf ein Dilemma im Umgang mit den antisemitischen Vorkommnissen während der jüngsten Demonstrationen hin. Da es nämlich insbesondere muslimische Demonstranten seien, die durch antisemitische Töne aufgefallen seien, falle es dem „linken Mainstream“ schwer, angemessen – oder überhaupt – darauf zu reagieren. Um nicht in Gefahr zu laufen, der Fremdenfeindlichkeit bezichtigt zu werden, würden sie die antisemitischen Ausfälle muslimischer Demonstranten verharmlosen oder gleich ganz ignorieren. Böss findet das fatal, insbesondere weil er eine antisemitische Pogromstimmung heraufziehen sieht.

Richard Wagner bereitet auf Die Achse des Guten Sorge, dass bei den Demonstrationen gegen Israel zunehmend auch das jüdische Leben in Deutschland durch (pro-) palästinensische Demonstranten in Frage gestellt werde. Dies sei ein Angriff auf die Freiheit. Diesen Angriff zu ignorieren bedeute, so Wagner, zugleich auch die Stabilität Deutschlands zu gefährden. Noch handele es sich dabei vielleicht um eine Minderheitenposition, doch Wagner sieht einige bedenkliche Anzeichen für deren Erstarken.

Holdger Platta ist auf Hinter den Schlagzeilen über die antisemitischen Sprechchöre empört und fühlt sich geradezu ohnmächtig. Natürlich sei es legitim und auch notwendig, die Siedlungspolitik Israels oder das israelische Vorgehen im Gazastreifen zu kritisieren. Man müsse entschieden für Frieden, Menschlichkeit und Menschenrechte einstehen. Und gegen den Hass. Aber eben gegen den Hass von beiden Seiten. Die politischen Entscheidungsträger gelte es für das Leid und die Gewalt verantwortlich zu machen aber keinesfalls die Juden.

Anne Lachmann und Günther Lachmann finden es auf Geolitico hingegen höchst problematisch und gefährlich, dass die ARD in einem Bericht der Tagesschau ein paar versprengte Neonazis mit ihren antisemitischen Parolen aus der Masse friedlicher Demonstranten herausgepickt hätten. Mit der Überhöhung dieser vereinzelten antisemitischen Wortmeldungen werde ein legitimer und weitestgehend friedlicher Protest gegen Israels Politik diskreditiert. Die Juden würden von ARD und jüdischen Vertretern zu Opfern gemacht, um sie aus der Schusslinie der Kritik zu holen, so Lachmann und Lachmann. In Deutschland gebe es – von einigen kleinen Gruppen abgesehen – keinen Antisemitismus. Wenn man anderes impliziere, adle man die Splittergruppen und befördere so auch deren Anliegen.

Wie weit darf man bei der Kritik an Israel gehen? Wo endet noch erlaubte Polemik und Zuspitzung? Muss man nicht immer auch die Provokation und Aggression der Gegenseite mit kritisieren, etwa den Raketenbeschuss durch die Hamas? Wie setzt man ein Zeichen für den Frieden und gegen Gewalt, ohne neue Spannungen zu provozieren und Gräben zu vertiefen? Schwierige Fragen, die es zu diskutieren gilt. Nicht nur – aber auch – unter den Demonstranten selbst.