Fotos und Wirklichkeit: Ausstellungen in Frankfurt am Main und Essen – und Bilder aus Berlin

Die Frankfurter Schirn Kunsthalle widmet den Paparazzi eine eigene Ausstellung, die noch bis Oktober zu sehen ist. Es ist ein irritierendes Ausstellungsthema – das gilt trotz der Öffnung der Kunstsphäre nach vielen Seiten hin: Ausgerechnet die Fotos der Paparazzi in die Kunsthalle zu holen, die doch eigentlich in der „Yellow Press“ zu Hause sind.

Daniel Rehn betont, wie vielschichtig die Ausstellung sei, die insgesamt „kunstsoziologisch“ vorgehe. Es wird das Phänomen des Paparazzo gezeigt, sein „Jagdinstinkt“ und auch das, was mit den Prominenten geschehe, wenn das Privatleben abgebildet werde. Die Paparazzi bilden nicht einfach ab, sie dringen ein oder werden gar zu Aggressoren.

In einer Besprechung der Ausstellung zeigt Henriette Kuhrt gerade die Fotos, die das Eindringen der Paparazzi in die Privatsphäre deutlich machen, weil die Stars auf die Paparazzi reagieren. Kate Moss streckt die Zunge heraus, Mick Jagger wirft eine Mokkatasse. Die Paparazzi bedrängen die Stars, und diese setzen sich teilweise zur Wehr. Sei es gerichtlich, wie Brigitte Bardot, oder mit Gewalt, wie Marlon Brando. Die Fotos sind faszinierend – sie erzählen eine ganze Geschichte, wie Kuhrt schreibt. In dem Fall der herausgestreckten Zunge eine Geschichte, an der der Paparazzo aktiv teilnimmt, die gar nicht zustande käme, wenn der Fotograf nicht den Star bedrängt hätte.

Die Tricks der Paparazzi stellt Kuhrt in einen Zusammenhang mit den Methoden der Kriegsreporter: Tarnung, Maskerade, Verstecken. Dabei sei der Paparazzo allerdings kein Held, sondern er behalte das Image eines Losers. Er ist eben nicht zur Party eingeladen, sondern schaut von draußen hinein.

Doch das Foto ist nicht, das wird bei den Paparazzi-Bildern deutlich, ein Abbild der Wirklichkeit. Darauf zielt in ähnlicher Weise Peter E. Rytz, der die Ausstellung „(Mis)Understanding Photography“ im Folkwang-Museum in Essen besucht hat. Fotos seien allgegenwärtig und ständig verfügbar. Überall sehen wir Fotos: auf unzähligen Internetseiten, in Zeitungen, auf dem Smartphone etc. Sie sind nicht Abbild der Wirklichkeit, sie sind zuallererst Teil dieser Wirklichkeit. Die Fotos bilden nicht einfach das ab, was ohnehin der Fall ist, sondern das Verhältnis ist komplexer.

Um das Beispiel der Paparazzi aufzugreifen: Welche Wirklichkeit wird denn abgebildet, wenn Mick Jagger eine Mokkatasse wirft? Konnte der Paparazzo etwa wissen, dass Jagger gleich die Tasse werfen würde? Das Fotografieren schafft hier erst die Wirklichkeit, die dann abgebildet wird.

Bersarin hat die Demonstrationen zum Al-Quds-Tag in Berlin fotografiert. Die Fotos haben zum Teil einen starken dokumentarischen Charakter, aber eine Demonstration ist von vornherein auf die Bilder ausgerichtet, die produziert werden. Ein Mann hält eine Puppe, deren Strampler mit blutroter Farbe beschmiert ist, in die Höhe. Dabei blickt er genau in die Kamera. Dieser Blick, dieser ganze Gesichtsausdruck, der allein der Kamera gilt, ist vielsagend – Trauer ist in den Augen zu sehen und um den Mund eine entschlossene Wut – und macht das Bild so stark. Obwohl die Bilder das Ereignis dokumentieren, bilden sie nicht einfach ab, sie sind teilweise äußerst präzise gestaltet, wie der wütende Demonstrant, der sich den Polizisten zuwendet, dabei bereits von einem anderen Demonstranten beruhigt und festgehalten wird. Das Bild ist zwischen zwei Polizistenhelme hindurch aufgenommen. Wie ein düsterer Rahmen geben sie nur einen Ausschnitt auf das Geschehen frei.

Auf seinem Blog beschreibt Bersarin, wie solche Bilder entstehen, wie er zwar bei der Situation dabei – und sich beispielsweise mit verschiedenen Personen unterhält –, allerdings „photographisch fixiert“ ist. Die Situationen werden auf mögliche Fotos hin beurteilt – was dann etwas ganz anderes ist, als das umstandslose „Knipsen“, was ständig geschieht. Und sogar die WM-Stars fotografieren sich selbst und gegenseitig auf ihrer Siegesfeier. So als würde dieses Ereignis nicht ausreichend dokumentiert.

Peter E. Rytz gibt in diesem Sinne ein Zitat wieder, das in Essen zu lesen war: „Die Praxis des Fotografierens ist nicht länger ein Mittel zur Aufzeichnung der Realität. Vielmehr ist sie selbst Realität geworden.“