Welche Alternative? Die AfD nach der Landtagswahl in Sachsen

Sachsen hatte am vergangenen Sonntag die Wahl – und entschied sich mehrheitlich dafür nicht zu wählen. Lediglich 49,2% der Wahlberechtigten fanden sich an den Wahlurnen ein. Nach Schließung der Wahllokale wurden von den Politikern Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung gesucht: Die Verlegung des Landtagswahlkampfs in die Sommerferien und die Terminierung des Wahlsonntags auf den letzten Ferientag habe das Fernbleiben der Wähler geradezu herausgefordert, monierten Vertreter von SPD, Linken und Grünen, die sich benachteiligt fühlten. Auch das schlechte Wetter wurde als Erklärung ins Feld geführt. Dass der Ausgang der Wahl quasi schon im Vorhinein festgestanden habe, könnte die Wähler möglicherweise demotiviert haben, sagten andere. Es habe einfach die Wechselstimmung gefehlt, die scheinbare Alternativlosigkeit geherrscht. Und in der Tat: Die CDU, der im Vorfeld ein klarer Wahlsieg prognostiziert wurde, kam auf 39,4% der Stimmen und ließ die Linke (18,9%), die SPD (12,4%) und die Grünen (5,7%) deutlich hinter sich. Allerdings muss sich die CDU einen neuen Koalitionspartner suchen, da die FDP – wie von vielen erwartet – den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag mit 3,8% deutlich verfehlt hat.
Die größte Überraschung war wohl das starke Abschneiden der „Alternative für Deutschland“ (AfD), die – erst 2013 gegründet – aus dem Stand auf 9,7% kam. Mit der AfD tun sich viele Beobachter schwer. Zu amorph erscheint deren politisches Programm und Personal, das offenbar irgendwo zwischen EU-Skeptizismus, Neoliberalismus, (Rechts-) Populismus, (neuem) Konservatismus und allgemeiner Protesthaltung gegen „die etablierte Politik“ angesiedelt ist. Jedenfalls ist die Partei erfolgreich und so stellt sich nach den Erfolgen bei der Europawahl und in Sachsen die Frage, wie es mit der Partei wohl weitergehen wird. Oder war das gute Abschneiden vor allem durch die niedrige Wahlbeteiligung begünstigt? Warum und wofür wird die AfD gewählt?

Wolfgang Lieb stellt auf den NachDenkSeiten fest, dass der Erfolg der AfD sich nicht allein mit der niedrigen Wahlbeteiligung erklären lasse. Ähnlich wie der „Front National“ in Frankreich oder die „Tea Party“ in den USA gehe die AfD mit rechtspopulistischen Stammtischparolen hausieren und bediene sich dabei geschickt einer diffusen Proteststimmung des Irgendwie-dagegen-Seins und des „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“. Dass die AfD insbesondere junge und wirtschaftlich relativ gut gestellte Wähler anspreche, findet Lieb besonders bedenklich.

Auch Michael Spreng beschäftigt sich auf sprengsatz mit dem Wahlerfolg der AfD. Sie nutze geschickt den „Sarrazin-Effekt“ für sich: Sie kleide ihre europafeindlichen und rechtspopulistischen Parolen in ein bürgerliches Gewand und werde so – im Gegensatz zur NPD, die in Sachsen knapp an der 5%-Hürde gescheitert ist – salonfähig. Insbesondere für die CDU kündige sich mit dem Erfolg der AfD ein echtes Problem an. Wenn sich rechts von ihr auf Dauer eine demokratisch legitimierte Partei etabliere, mit der man aber nicht koalieren könne, werde die große Koalition – bei der wohl weiter anhaltenden Schwäche der FDP – für die Zukunft unumgänglich. Dies wiederum stärke die Protestparteien immer weiter.

Jörg Wellbrock warnt auf Spiegelfechter davor, die Stimmen für die AfD lediglich als Ausdruck eines Wählerprotests gegen die etablierten Parteien und deren Politik wahrzunehmen (und darzustellen). Die AfD werde auch und gerade wegen ihrer im Kern durchaus aggressiven fremden- und islamfeindlichen Grundhaltung gewählt. Das knappe Scheitern der NPD an der 5%-Hürde gelte es also nicht zu feiern, vielmehr müsse man mit Besorgnis das Erstarken einer neuen rechten Partei beobachten.

Doch wie rechts ist die AfD wirklich? Die Parteioberen der AfD verorten sich zwar durchaus rechts von der CDU, wie man in einem Beitrag von Günther Lachmann auf Geolitico nachlesen kann, doch dies vor allem deshalb, weil die CDU nach links gerückt sei und dabei viele konservative Positionen freigegeben habe. Diese gelte es zu besetzen. Auch auf die noch verbliebenen FDP-Wähler solle gezielt werden, so Prof. Dr. Alexander Dilger auf Die Freie Welt, der der AfD zugleich herzlich zum Wahlerfolg gratuliert.

Immer wieder wurden diskriminierende bzw. fremdenfeindliche Töne aus den Reihen der AfD kolportiert. Jüngst sickerte ein Positionspapier des Arbeitskreises „Innere Sicherheit“ an die Öffentlichkeit, das Julius Jamal auf Die Freiheitsliebe kommentiert. Gefordert werde dort etwa die „Kindergeldkürzung bei nichtdeutschen Staatsbürgern“ oder die Einführung des strafrechtlichen Kriteriums der „deutschenfeindlichen Straftat“.
Allzu schrille Töne werden bisher zuverlässig zurückgenommen oder zumindest relativiert, etwa von Parteichef Bernd Lucke, der sehr um die Seriösität „seiner“ Partei bemüht ist. Gut möglich, dass genau dieses Lavieren viele Wähler reizt. Auch möglich, dass es sich um die zwar unerfreulichen aber durchaus üblichen Kinderkrankheiten einer immer noch relativ jungen Partei handelt, die um ihre Positionen ringt. Es wird zu beobachten sein, wie die Partei in Sachsen (und Europa) vor den Augen der Öffentlichkeit arbeitet und wie sie sich weiter ausrichtet.

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